Wilhelm Schürmann. Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße, 1979-1981

März 01 19:57 2012 Print This Article

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln, Im Mediapark 7, zeigt vom 30. März bis 12. August in einer Ausstellung das 180 Scharzweiß-Photographien umfassende Portrait der Steinhammerstraße in Dortmund.

Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße ist ein eindrucksvolles Portrait eines eingegrenzten Ortes, ein Erfahrungsraum, der einerseits prototypisch für einen Zeitabschnitt im Ruhrgebiet steht, andererseits darüber berichtet, wie Menschen ihr privates, aber auch öffentliches Umfeld, letztlich ihr Miteinander gestalten und damit auch die Geschichte ihres Lebens erzählen.

Der Photograph Wilhelm Schürmann (*1946), der heute als Sammler und Kurator für zeitgenössische Kunst international anerkannt ist, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der Steinhammerstraße in Dortmund. Nachdem er 1966 sein Elternhaus verlassen hatte, kehrte er zwischen 1979 und 1981 viele Male an den ihm vertrauten Ort zurück und hielt ihn in aller Sachlichkeit, aber auch voller Begeisterung für den dort angetroffenen und über die Zeit kaum veränderten Alltag in über 2.000 Schwarzweißnegativen fest. Die für ihn wichtigsten Motive vergrößerte er und stellte sie in einer Bildreihe von über 180 originalen Handabzügen zusammen: Verschiedene Ansichten der Straße, Fassaden typischer Wohnhäuser, Nachbarschaften, Geschäfte aller Art, ob Reinigung oder Frisör – von innen und außen, Wohnungen, Mobiliar, Einrichtungsdetails wie Stereoanlagen, Pflanzen und dekorative Stillleben; zudem Portraits der von ihm angetroffenen Bewohner und im weiteren Radius, Gärten, Beete und Hinterhöfe, Bahnhofsgelände und angrenzendes Brachland.
Mit dieser Bildreihe schildert uns Schürmann aber nicht nur sein frühes persönliches Lebensumfeld, sondern liefert vor allem bemerkenswerte Bilder aus einer Zeit, als in Deutschland weitaus deutlicher noch die Folgen der Nachkriegszeit wirkten, die Illusionen des Wirtschaftswunders von einer Phase der Ernüchterung überlagert wurden, sich aber eine Form privater Lebenskultur verbreitet hatte, in der man sich fast im wahrsten Sinne des Wortes eingerichtet hatte – ein Klima, das schließlich auch das Leben der nächsten Generationen mitbestimmte, sei es durch eine angepasste oder kritische Haltung.

Durch Schürmanns Blick bestätigt sich die Photographie als hochwirksames Mittel zur Analyse von Wirklichkeit ebenso wie zur anschaulichen Erzählung über persönliche und kollektive Ansichten und Erinnerungen. In aller Konzentration, mit Humor und Selbstironie zeigt Wilhelm Schürmann Fakt gegebene Lebensverhältnisse wie auch ein unvergessenes Lebensgefühl. Der aus einer Hosentasche hervorblinkende “Wegweiser zum Glück”, Broschüre einer Lotto-Toto Annahmestelle, versinnbildlicht den Ausstellungstitel und ist nur einer der vielen fabelhaft beobachteten Momente.

Im Jahr 2007 hat Wilhelm Schürmann der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, die betreffende Werkgruppe mit ca. 180 Vintage Prints und über 2.000 Negativen aus dem Projekt als Schenkung übergeben. Die umfangreiche Präsentation in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur wird über eine Auswahl der Vintage Prints auch neuabgezogene vom Künstler autorisierte Abzüge aufnehmen, die seine neu reflektierte Sicht auf das vor drei Jahrzehnten entstandene Konvolut unterstreichen. Begleitend erscheint im Hatje Cantz Verlag ein umfangreiches Katalogbuch mit einem Text von Gabriele Conrath-Scholl (voraussichtlich Juni 2012).

Die Kunststiftung NRW hat Ausstellung und Buch großzügig gefördert.

Mit der Präsentation des Konvoluts verbindet die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur erneut die Möglichkeit, einen für die deutsche Geschichte der Photographie wichtigen Werkkorpus aufzuarbeiten und langfristig zu sichern. Im Sammlungsbestand reiht er sich nun ein zwischen weiteren namhaften Positionen dokumentarisch orientierter Photographie, die im Bestand ausführlich vertreten sind, wie Bernd und Hilla Becher, Boris Becker, Joachim Brohm, Ruth Hallensleben, Horst Lang, Gabriele und Helmut Nothhelfer, Albert Renger-Patzsch, Tata Ronkholz, Petra Wittmar und nicht zuletzt August Sander, dessen umfangreiches Archiv samt aller von ihm behandelten Bildthemen für die institutionelle Arbeit einen zentralen Ausgangspunkt darstellt.

Am Samstag, 2. Juni, 15 Uhr, findet eine Künstlerführung mit Wilhelm Schürmann statt.

Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, 50670 Köln,
Tel.: 0221/888 95 300, photographie@sk-kultur.de, “>www.photographie-sk-kultur.de
Ausst. geöffnet tägl. außer Mi., 14 -19h, Eintritt: 4,50 Euro (ermäßigt 2 Euro), Mo. freier Eintritt

Das 1992 erworbene August Sander Archiv bildet den Grundstein der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Es ist das weltweit größte Konvolut mit originalen Werken des Photographen (1876-1964). Mit Blick auf Sanders sachliche und konzeptorientierte Photographie erweiterte sich die Sammlung um weitere seinem Ansatz verwandte Arbeiten anderer historisch wichtiger und zeitgenössischer Künstler. Schwerpunkte bilden so auch die Photographien von Bernd und Hilla Becher, von Karl Blossfeldt, von Jim Dine und vielen mehr. Regelmäßige Ausstellungen orientieren sich programmatisch am Sammlungsbestand.

Kontakt:
SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn
Ralf Convents
Im Mediapark 7
50670 Köln
pr@sk-kultur.de
022188895105
http://www.sk-kultur.de

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