Tierschutz – Die Jagd hat ein Image-Problem

Oktober 16 08:42 2012 Print This Article

Tierschutz - Die Jagd hat ein Image-Problem Es ist natürlich bei weitem untertrieben, von nur einem Image-Problem zu reden. Denn beim Thema Jagd gibt es so viele Baustellen, dass man nicht in der Haut der Marketingverantwortlichen stecken möchte – schon gar nicht in der Haut der verfolgten Tiere: Haustierabschuss, Fallenjagd, Jagdhundeausbildung an lebenden Tieren, Jagdmethoden, bei welchen Wildtiere lange leiden bevor sie sterben, bleihaltige Munition, ganzjährige Beunruhigung des Wildes, illegale Fütterung, nicht funktionierende Bestandskontrolle – um nur mal einen groben Eindruck von der aktuellen Situation zu geben.

Auf einen Nenner gebracht: die Jagd ist längst nicht mehr zeitgemäß. Die Verantwortlichen haben es über Jahrzehnte versäumt – oder sollte man besser sagen verhindert – die Regeln der Jagd an gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen. Aber vielleicht wollte man davor einfach die Augen verschließen.

Es ist daher schon verständlich, der Öffentlichkeit jetzt weiß machen zu wollen Jagd sei Tierschutz. Mit “tierschutzkonformer Beschaffung tierischer Nahrungsmittel”, wie der Deutsche Jagdschutzverband es kürzlich in einer Meldung formuliert, hat die Jagd maximal am Rande zu tun. Der weitaus größte Anteil der jährlich 5 bis 9 Millionen in Deutschland durch die Jagd getöteten Tiere wird ohne weitere “Nutzung” entsorgt. Darunter sind allein ca. 900.000 Rabenvögel, die eigentlich durch die EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt sind, und eine Millionen Beutegreifer wie Fuchs, Dachs, Marder, Iltis, Hauskatze u.a. Eine flächendeckende Bejagung dieser ausgesprochen nützlichen Fleischfresser unter den Wildtieren mit dem Ziel einer Bestandsreduzierung ist nicht zielführend. Das wissen wir seit Jahrzehnten aus zahlreichen Forschungsarbeiten. Danach handeln auch Ökologische Jagdvereine und auch die großen Umwelt- und Naturschutzverbände sind sich diesbezüglich weitgehend einig.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) macht darauf aufmerksam, dass Untersuchungen zufolge bei Gesellschaftsjagden auf Wildschweine oder auf Rehe nur die wenigsten Tiere mit einem sofort tötenden Schuss erlegt werden. Gründe für die extrem hohe Zahl von Fehlschüssen sind häufig mangelnde Schießpraxis, Erfolgsdruck oder Wild, welches in der Fluchtbewegung gar nicht “weidgerecht” getötet werden kann.

Dennoch werden diese Jagdformen, meist so genannte Drückjagden mit Dutzenden von Jägern, Treibern und Hunden, auch von zuständigen Ministerien als Mittel der Wahl zur Bestandsregulierung propagiert. Dass auch bei diesem so genannten “Schalenwild” die angestrebte Bestandsregulierung seit Jahrzehnten nicht funktioniert, zeigt ein einfacher Blick auf die aktuellen Zahlen: in den 1980er Jahren wurden durch die Jagd pro Jahr bis zu 250.000 Wildschweine getötet, in der darauffolgenden Dekade bis zu 400.000 und in den 2000er Jahren wurde erstmals die Marke von 600.000 Tieren überschritten – Tendenz weiter steigend.

Es gibt diverse Gründe für die Bestandsexplosion, gerade bei Wildschweinen. Wesentliche Einflussfaktoren sind zum einen das tendenziell milder werdende Klima und ein erhöhtes Nahrungsangebot, andererseits aber auch die intensive Bejagung selbst. Milde Winter und gutes Nahrungsangebot reduzieren die Sterblichkeit und erhöhen die Geburtenraten. Berechnungen von Wildforschungsstellen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz ergaben vor einigen Jahren, dass allein durch Futterstellen, welche das Wild an die Hochsitze locken soll, soviel Kraftfutter für Wildschweine durch Jäger ausgebracht wurde, wie zusätzliches Futter durch den Maisanbau zur Verfügung stand.

Eine Langzeitstudie von Wissenschaftlern um Sabrina Servanty, die 2009 im renommierten “Journal of Animal Ecology” veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die intensive Bejagung zu einer deutlich höheren Fortpflanzung führt und beim Schwarzwild die Fruchtbarkeit stimuliert. In Gebieten, in denen wenig Jäger unterwegs sind, ist die Vermehrung der Wildschweine deutlich geringer, die Geschlechtsreife bei den Bachen tritt später und erst bei einem höheren Durchschnittsgewicht ein.

Ein Unding ist es ferner, dass die Jagd in Deutschland ganzjährig ausgeführt wird. Zahlreiche Tierarten haben in vielen Bundesländern überhaupt keine Schonzeiten (z.B. der Fuchs, das Wildschwein). Noch im Februar finden auf gefrorenem und schneebedecktem Boden große Gesellschaftsjagden statt, obwohl das Bundesjagdgesetz schon heute regelt, dass eine Beunruhigung des Wildes nicht stattfinden darf. Gerade in den Wintermonaten führt das regelmäßig dazu, dass insbesondere das in der Winterruhe befindliche Rehwild dringend erforderliche Reserven auf der Flucht vor Hunden und Jägern verbraucht – manchmal bis hin zur Erschöpfung. Der daraus resultierende zusätzliche Nahrungsbedarf führt dann häufig zum Verbiss an jungen Bäumen.

Seit den 1950er Jahren, als die aktuelle deutsche Jagdgesetzgebung aus der Taufe gehoben wurde, hat es keine signifikanten

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